Fränkisches Bauen - Anspruch und Wirklichkeit

(Otto Voit)

„Fränkisch” zu bauen ist der Wunsch vieler Bauherren, wenn sie ein Eigenheim errichten wollen. Nach vielen Planungen, notgedrungenen Kompromissen, zeit- und nervenaufreibenden Abstimmungen und finanziellen Entbehrungen ist es verständlich, wenn sie auf ihr Werk anschließend uneingeschränkt stolz sind und sich damit identifizieren. Um so schmerzlicher ist die Enttäuschung, wenn dann einer kommt und das Ergebnis kritisiert. Es ist dann immer so, als wäre alles umsonst gewesen.

Es steht außer Frage; jeder, der sich ernsthaft um fränkisches Bauen bemüht, der leidet unter solcher Kritik und nimmt daran auch innerlich einen Schaden.

Was macht das „Fränkische Bauen” also so schwierig?

Zunächst sind es die wenigen Vorbilder, an welchen man sich orientieren kann. Seit wenigstens 200 Jahren baut man recht unbekümmert Häuser, wie man sie vielleicht in Hamburg gesehen hat oder von Oberammergau her liebt. Was uns aber jeden Tag umgibt, das setzt sich dort fest, wo wir es als vertraute Selbstverständlichkeit empfinden. Es manipuliert uns ähnlich wie die moderne Werbung, der wir uns eben so wenig entziehen können.

Fränkische Häuser waren dagegen früher klein, schlicht und hell, sie hatten steile rote Dächer und stehende, gegliederte Fenster, die oft harmonisch über die Fassaden verteilt waren und die man mit bunten Läden versehen hatte.

Vom Thema her ist damit fast schon alle gesagt. Es muß uns aber heute schwer fallen, diese Worte tatsächlich so zu nehmen, wie sie dastehen. Wir sind schließlich alle vom modernen Denken geprägt und es fällt uns schwer, uns davon zu lösen, denn fränkisch zu bauen bedeutet, geradezu gegen den Strom zu schwimmen: Ein kleines Haus zu bauen, das könnte ein anderer als ärmlich auslegen. Jeder Nachbar oder Kollege zwingt einen dazu, mitzuhalten in der Steigerung der Größe des neu zu bauenden Anwesens. Schlicht soll es sein; dabei sind Türmchen, ausladende Balkonkonstruktionen und hochgelegene Terrassen doch so schön und repräsentativ!

Fensterläden sind unpraktisch und außerdem sinnlos für riesige Flächen dunklen Glases, das nach den Grundsätzen der abstrakten Malerei relativ willkürlich über unregelmäßige Fassaden verteilt sein kann. So oder ähnlich argumentiert man.

Diese Beispiele mögen zunächst genügen. Es läßt sich aber schon erahnen, daß der Wille, fränkisch zu bauen, vor allem eine geistige Auseinandersetzung bedeutet. Im Anbetracht heutiger Materialien und Techniken ist es sogar wieder eine beachtliche Pionierleistung, an eine Entwicklung anzuknüpfen, die etwa vor 200 Jahren jäh abgebrochen ist. Wer heute wieder „fränkisch” baut, legt damit ein Bekenntnis zu einer fast erloschenen, früher aber selbstverständlichen Tradition ab.