Baukosten

(Dipl.-Ing. Arch. (FH) Lorenz Bieger)

Ist das Bauen im Stil der Fränkischen Schweiz wirklich teurer?

„Ich hätte gerne im fränkischen Stil gebaut, aber das kann man ja nicht bezahlen.“ So oder ähnlich hört man es immer wieder, wenn man Bauherren in der Fränkischen Schweiz auf ortsfremde Gestaltung anspricht.

Diese Meinung - schon fast ein geflügeltes Wort - kann der Fachmann leicht widerlegen. Befasst man sich mit der historischen Entwicklung und den Grundsätzen des Bauens in der Vergangenheit, wird schnell klar, dass diese richtige Art des Bauens billiger kommen muss.

Klare traditionelle Vorgaben der „Baukunst“, Hilfe von der Gemeinde (Stellen von Baumaterial wie Holz, Steine, Lehm usw.),Hand- und Spanndienste von unmittelbaren Nachbarn und Verwandten machten es früher möglich, dass auch der Ärmste seine Behausung hatte.

Zwar haben sich die Lebensumstände geändert, aber auch noch heute hilft der Staat mit Darlehen, Zuschüssen, Fördermitteln. Noch immer werden Eigenleistung und Nachbarschaftshilfe, besonders im ländlichen Raum, groß geschrieben. Nur die Konstruktionsgrundsätze haben sich stark geändert. Jetzt ist technisch alles machbar. Die Werbung suggeriert noch mehr Wünsche, nach Sinn und Zweck wird nicht mehr gefragt - man möchte sich etwas leisten, es herzeigen, sich vom Nachbarn abheben usw. Alles verständliche, menschliche Eigenheiten, die zur Kostenexplosion beim Bauen führen. Einige technische und rechtliche Vorschriften mögen dazu noch beitragen - Auslöser sind sie nicht. Kostenoptimierung, Kosten-Nutzen-Analysen sind jetzt Begriffe, die den neuen Sachverstand beschreiben. Mit dem Raumprogramm und dem Bauvolumen werden die ungefähren Kosten festgelegt; ob sie über- oder unterschritten werden, liegt an den technischen Vorgaben, die durch die Ausführungswünsche des Bauherren bestimmt werden. An einzelnen Bauteilen sollen die Unterschiede zwischen Machbarem und Sinnvollem gezeigt werden.

Bauform

Vor- und Rücksprünge, mehreckige Vorbauten, weite Öffnungen, übergroße Spannweite u. a. sind z. B. für Kostenerhöhungen verantwortlich. Das Anlegen unterschiedlichster Gebäudeecken, undefinierbarer Winkel, kleiner Absätze kostet Zeit und ein Mehr an Material (einschließlich Bruch und Verschnitt).

Auch wenn man’s selber macht, gilt der Grundsatz: Zeit ist Geld.

Funktionierende Grundrisse auf dem „Rechteck“ (geradliniges System) aufgebaut, sind kostengünstiger und werden schneller durchgezogen; auch das Baumaterial kann ohne Abfall fast restlos verarbeitet werden. Überzogene Spannweiten bei Decken, auskragende Balkonplatten und große Öffnungen (z.B. Panoramafenster) erfordern zusätzliche Abstützungsarbeiten (Mehraufwand an Leistung und Schalmaterial).

Statische Berechnungen, Stahlträger, Über- und Unterzüge lösen zwar die gestellte bautechnische Aufgabe, die Mehrkosten aber summieren sich. Auch das Schließen großer Öffnungen kostet mehr: Fenster mit Wärmeschutzglas, Rollos und Rollkasten, Fensterbänke innen und außen, Heizkörper, Vorhänge usw. Ebenso verteuert sich der langfristige Unterhalt wie Reinigung, das Abnehmen und Waschen der Vorhänge, der Ausbau eines defekten Rollos oder das Wechseln von Fensterscheiben in Übergröße. Dies alles müssten Planer und Bauherren durchdenken; Wünsche, Kosten, Nutzen abwägen.

Dach

Im Buch von Otto Voit„Das Fachwerk in der Fränkischen Schweiz“ und vor Ort kann man die fränkischen Dächer mit ihren Überständen studieren. Die Traufkonstruktion ist seit Jahrhunderten in unserem Gebiet mit gemäßigtem Klima der beste Übergang von der Wand zum Dach. Bewährt und unauffällig - trotzdem verschwindet das Traufgesims und muss südbayerischen weiten Überständen weichen. Dem Ortgang (Dachabschluss an der Giebelseite) geht es genauso - weit herausstehende Pfetten mit Flugsparren verfälschen immer mehr unsere Ortsbilder. Obwohl die fränkisch-alemannische Sparrenkonstruktion die in Europa am weitesten verbreitete Dachgrundform ist, muss sie einer sich nur im schneereichen Alpenraum bewährten Pfettenkonstruktion mit seinen die Schneelast tragenden Überständen weichen. Urlaubserinnerungen mögen dies beeinflußt haben.

Kosten-Nutzen-Überlegungen zum Dach

Heute hat sich eine Mischkonstruktion von Sparren - Pfettendach bewährt, weil die Lastabtragung bei Betondecken anders verläuft. Die Vorteile des fränkischen Daches bestehen darin, dass alle Konstruktionshölzer innerhalb des Gebäudes liegen (konstruktiver Holzschutz) und nicht der Witterung ausgesetzt sind. Die Überstände werden beim Giebel mit Ortgang - oder Windbrettern und / oder Zahnleisten abgedeckt.

Das Traufbrett oder die Gesimsbohle schließt die Sparrenköpfe ab. Durch diese Technik gibt es auch ohne Schutzanstrich keine bautechnischen Probleme. Mit der Begründung, dass ein weiter Überstand besser schützt, nimmt man die zusätzlichen Kosten für alpenländische Formen in Kauf - ein Mehr an Bauholz (längere Pfetten und Sparren, Sonderhölzer zur Lastaufnahme), das Hobeln der sichtbaren Holzteile, die Untersichtschalung und die Schutzanstriche. - Ein fraglicher und teuerer Schutz, denn Eisbildung, Frost- und Tauwechsel können bei den weiten Überständen zu Bauschäden führen.

Weitere Kosten werden verursacht durch die Mehrfläche der Dacheindeckung, längere Dachrinnen und Traufbleche, Fallrohre und Firste usw.

Ermittelt man den Mehraufwand und stellt ihm den fraglichen Nutzen gegenüber, muss die Entscheidung zugunsten der fränkischen Machart fallen. Auf dem steilen Dach bleibt kein Schnee langfristig liegen; wenn der Wind den Regen peitscht, bringt auch der weiteste Überstand nachweislich viel weniger Schutz. Bei diesen schlechten Witterungen hat sich die auch in Vergessenheit geratene fränkische Laube bestens bewährt. Heute wird sie von Balkonen alpenländischer Prägung ersetzt. Diese fremdartigen „Wunschgestaltungen“ sind weitere, teuere Ausgaben.

Haustechnik

Es sollten hier für alle Gebäude die gleichen Grundsätze gelten: kompakte Anordnung zum Kamin, zentrale Steigleitungen mit den zugeordneten Räumen, kurze Leitungsführung, keine Rohre im Fußboden, Ausrichten des Hauses zur passiven Sonnenenergienutzung. Alternativen, die früher selbstverständlich waren (z.B. Zisternen) sollten wieder Allgemeingut werden. Besonders in den Bereichen „Heizung- Sanitär- Elektro“ wird durch persönliches Wunschdenken mehr als nötig vertan. Hier könnte durch die Übernahme der fränkischen Einfachheit (im Denken und im Grundriß) enorm gespart werden. Persönliche Wünsche (Luxus) sollten hinter einer ordentlichen sinnvollen Projektierung zurückstehen.

Schmuck

Setzen wir auch hier sinnvolle Maßstäbe. Stellen wir uns das einfache Bauernhaus vor - geteilte Fenster, abgesetzte Gewände, vielleicht noch eine aufgemalte Hausnummer, eine schmucke Haustür - nichts weiter - aber eine spürbare Harmonie durch die vollendete Form. Die Ästhetik von Gebäudegrundform und steilem Dach benötigt keinen Schnickschnack, kein Pseudo-schmiedeeisen bei Geländern, Lampen oder Briefkästen. Das Geheimnis der Ausstrahlung liegt in den einfachen Gesetzen der Proportionen. Sehr alte Häuser waren sogar unsymmetrisch aufgebaut. Die organische Symmetrie bestimmt durch die Nutzung ist die wahre Kunst.

Kleine, feine Unterschiede in der Detailausführung brachten trotz der gleichen technischen Lösung die bewundernswerte Vielfalt. Funktion (Nutzen), Form (Gestaltung) und Konstruktion (Machart) müssen eine Einheit bilden - ein Haus, in dem sich leben lässt und das bezahlbar bleibt.

Ein schlecht gestaltetes Gebäude - ein Haus mit einer in der Hälfte zurückgesetzten Giebelfront wird nicht schöner, wenn man es mit Tiroler Balkonprofilen und einem verschnörkelten Gartenzaun ergänzt.

Sonderbare Dachformen, angesetzte Spitzen und Trapeze wirken nicht nur unnütz, sie können ersatzlos weggelassen werden. Krüppelwalm am kleinsten Erker entstammt einem falsch verstandenen Formenkanon, die Wiederholung einer Form bis zum Exzess ohne wirklichen Grund wirkt übertrieben und kostet nur erhöhten Aufwand und somit Geld.

Die perfekte Symmetrie entspringt dem Absolutismus, sie gehört zu den Planungsgrundsätzen (z. B. Schlösser, Verwaltungsgebäude). Am einfachen Wohnhaus hat sie nichts verloren.

Auch wenn jedes Detail für sich in Ordnung ist, dieser Mischmasch als Ganzes ist unbefriedigend. Vieles von dem teuren unpassenden Zubehör könnte man sich einfach sparen. Die Verkettung der Kostensteigerung zieht sich von den Erdarbeiten, von hohen Verschnittresten hin bis zu Einrichtungsproblemen bei der Fertigstellung.

Schluss

Wie man erkennen kann, kostengünstig Bauen liegt nicht nur an Beschränkungen bei der Bautechnik, sondern auch an der persönlichen Einstellung der am Bau Beteiligten. Nachmachen und mit dem Wirrwarr aus aller Welt sich Übertrumpfen-Wollen, ist mit Sicherheit der falsche Weg. Den schönen Schein wahren, der Orientierung an Modetrends ist auch in unseren Lebensbereichen erkennbar. Lernen wir deshalb aus der Vergangenheit, aus einem Wenig viel zu machen - hierin waren unsere Vorfahren wahre Meister - z. B. gibt es für eine Einfriedung etwas Günstigeres als einen Lattenzaun?! Wenn man ihn vergrauen läßt, spart man sich noch die Farbe.

Beschränken wir uns auf das Nötige, Sinnvolle. Zeigen wir Mut zur Einfachheit und bewahren wir so das Gesicht unserer Heimat.