Vorstellung des AK Naturschutz

Natur- und Landschaftsschutz im Zeichen einer Landschaft im Wandel

Es liegt sicher im Selbstverständnis eines Wander- und Heimatvereins, sich mit der Umwelt, also seiner Welt, die ihn umgibt und die er schätzt und liebt, näher zu beschäftigen. Bei erster, vielleicht oberflächlicher Betrachtung werden die Mitlebewesen, die man beim Wandern durch seine Heimat antrifft als naturgegeben, von der Natur hierher gestellt, angesehen. Gerne registriert man (am liebsten selten anzutreffende) Arten, kartiert sie vielleicht, beobachtet, ja bewacht sie teilweise und ist oft erstaunt, erschüttert, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Bemühungen die Pflanzen oder Tiere, die man gerne antrifft, geschützt hat, vielleicht auf deren größere Verbreitung gehofft hatte, zurückgehen, ja verschwinden.

Die Ursachen die oft für das individuelle Verschwinden eines Exemplars der Art oder das Erlöschen an einem Standort auszumachen sind, also etwa das Verschwinden einer Orchideenart durch Abpflücken oder Überdüngung mit Gülle, wird dann gerne als die eigentliche Ursache festgemacht für das gesamte Zurückgehen der Art. Selten ist aber diese Antwort allein richtig, die Ursachen sind oft wesentlich komplexer. Die ursprüngliche Auffassung, dass Naturschutz allein am Schutz der einzelnen Arten zu erreichen ist, hat seit geraumer Zeit ausgedient, wenn auch nach wie vor Einzelschutzmaßnahmen, wie etwa das Bewachen der Nistplätze von Wanderfalken oder die Schutzaktionen bei Amphibien­ Wanderungen durchaus ergänzend Sinn machen und auf solche Aktionen nicht verzichtet werden kann.

Vielmehr setzte sich die Erkenntnis durch, dass ohne ausreichenden Schutz des Lebensraumes (Habitat) dieser Arten diese nicht zu halten sind. Mit dieser Frage stellte sich das Problem nach der Beschaffenheit von Habitaten, letztendlich nach deren Natur.

Dynamik im Naturgeschehen beachten

Die Anfänge des Naturschutzes haben dabei deutlich gemacht, dass es (leider) nicht genügt, nur eine Landschaft oder einen Landschaftsbestandteil „wie unter einer Käseglocke" abzuriegeln und jeglicher Nutzung zu entziehen. Sehr schnell wurde konstatiert, dass man genau das Gegenteil erreichte: Die vorher vermeintlich natürliche Landschaft veränderte sich dermaßen radikal, dass das ursprüngliche Ziel eines Habitatschutzes für bestimmte Pflanzen und Tiere vollkommen verfehlt wurde. Die nun wohlbehütet geglaubten Arten dieser Lebensräume verschwanden und machten in den meisten Fällen häufiger vorkommenden Arten Platz, so dass der Schutzstatus eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen war.

Ganz genauso verhielt es sich mit Landschaftsteilen, die man eher aus ästhetischen Gründen in ihrem bewundernswerten, für das menschliche Gemüt grandiosen Zustand erhalten wollte und die nebenbei bemerkt heute als klassisches Kapital für den Fremdenverkehr gelten: Auch solche „Naturschönheiten" veränderten sich unter ihrer verordneten „Käseglocke" zu ihrem Nachteil. Verbrachung, Verbuschung, wilde Verwaldung machten der idyllischen Kulisse oft ein Ende. Nicht immer war es die Käseglocke, sprich gesetzlich verordnete Aufgabe von menschlicher Bewirtschaftung und Einfluss, sondern viel öfters eine Aufgabe der Nutzung auf Grund von veränderten Bedingungen in der Landwirtschaft, die sich gezwungenermaßen immer mehr von solchen extensiv bewirtschafteten Flächen zurückziehen musste. Wir können uns hier in der Fränkischen Schweiz ein gutes Beispiel vor Augen halten: Die Steilhänge unserer Täler, als Schafweide oder wechselnde Feld/ Graswirtschaft (Eggerte) über Jahrhunderte genutzt, haben weitgehend ihren Charakter als Magerrasen mit dazwischen eingestreuten freien Felspartien verloren.

Auf Grund dieser Erfahrungen setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Natur eine bisher kaum berücksichtigte dynamische Komponente beinhaltet, die den jeweiligen Lebensraum zeitlich verändert. Dabei hat die Natur auch Sicherungen eingebaut, die es erlauben auf unvorhergesehene Katastrophen wie Windwurf oder Überschwemmungen zu reagieren und das Land je nach Bodenbeschaffenheit und klimatischen Gegebenheiten einem unterschiedlichen Prozess der Besiedlung zu unterwerten.

Eingriffe des Menschen in die Natur

Durch Einflüsse der Bewirtschaftung durch den Menschen wurden und werden Landschaftsteile diesem dynamischen Prozess der Natur weitestgehend entzogen und in einem bestimmten Status gehalten. Durch jahrhundertelange etwa gleichbleibende Landbewirtschaftung konnten sich zudem Landschaftsteile herausbilden, die so nie im freien Spiel der natürlichen Kräfte zu Stande gekommen wären. Ohne die regelmäßige Mahd oder Beweidung gäbe es in Mitteleuropa wohl keine Wiesengesellschaften. Sie sind also Lebensräume, die durch den Einfluss des Menschen und durch die vielfältigen Reaktionsmöglichkeiten der Natur auf neue (hier anthropogene) Faktoren bestimmt werden. Dabei stellt die Natur das Inventar an pflanzlichen und tierischen Lebensgemeinschaften zur Verfügung, die geeignet sind diese Lebensbedingungen zu ertragen, die in diese durch die Einflüsse definierten Nischen passen. Wenn wir uns dann noch vor Augen halten, dass es in Mitteleuropa und vor allem auch in unserer Region kein einziges Stück Land gibt, das bis jedweder in jüngste Vergangenheit nicht vom Menschen beeinflusst ist, wird klar, dass wir mit Naturschutzmaßnahmen eigentlich Teile einer alten Kulturlandschaft schützen bzw. in ihrem definierten Bestand halten wollen.

Felsfreistellungen, wie sie seit etwa vier Jahren durch den Naturpark Verein durchgeführt werden sind ein Beispiel für den klassischen Artenschutz in Kombination mit den Anliegen des Schutzes ästhetisch besonders wertvoller Land­schaftsbestandteile. Verbuschung und natürliche wie forstliche Wiederbewaldung von Land um die Felspartien haben dazu geführt, dass die sonnenliebende und tockenheitsertragende Flora und Fauna, darunter seltenste, nur hier auftretende Arten durch den Schatten der Bäume in ihrem Bestand bedroht erscheinen. Die Freilegung schafft wieder Bedingungen, die der Existenz dieser Organismen entgegenkommen. Gleichzeitig wird der Effekt der Herausstellung vieler bereits im Waldesdunkel verschwundener Felspartien erzielt und somit eine erneute Bereicherung des überlieferten Landschaftsbildes erreicht.

Ähnliches gilt, wenn auch ästhetisch weitaus weniger spektakulär, für die Renaturierung, Wiederherstellung und teilweise Neuanlage von Hüllweihern. Diese für die Jurahochfläche typischen Weiher, die nur vom Regenwasser gespeist wurden, waren sicher kulturhistorisch von sehr großer Bedeutung.

Eine wichtige Aufgabe des heutigen Naturschutzes ist die Miteinbeziehung von Folgepflege und von Folgekosten in die Überlegungen, bevor man Maßnahmen zum Erhalt von Landschafts­bestandteilen in Kulturlandschaften durchführt.

Landschaftsschutz in der Fränkischen Schweiz: Resignation oder Neuanfang?

Überlegungen machen daher auch die Runde, bei Landschaftsteilen, bei denen mittel- oder langfristig keine wirtschaftliche Rentabilität zu erkennen ist, diese dem freien Spiel der Kräfte der Natur zu überlassen und nach der Devise „ein Stück Wildnis schadet der Landschaft auf keinen Fall" die Natur frei schalten und walten zu lassen. Solche Gedanken werden vor allem bei der Diskussion um die Zukunft unserer Flusslandschaften ins Spiel gebracht. Gerade in Mittelgebirgen fallen die Fluss- und kleinen Bachtäler aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Wir kennen dies auch aus der Fränkischen Schweiz. Die flussbegleitenden Wiesen werden zu Brachen, weil die Bewirtschaftung kaum rentabel ist, am Gewässer werden kaum noch Unterhaltmaßnahmen durchgeführt, dadurch wird der Zugang zu den Wiesen immer mehr erschwert. Das wirtschaftliche Interesse sinkt auf Null. Alternative Abnehmer für das Gras oder Heu sind momentan kaum in Sicht. Was liegt also näher, diese Täler vom Tropf jeglicher Subventionierung abzuhängen und der Wildnis preiszugeben?

So einleuchtend und verlockend dieser Gedanke auch sein mag, und so bereichernd diese Wildnis für große Flüsse, wie Rhein oder Main sein kann, besonders für die Landschaft der Fränkischen Schweiz wäre eine solche Lösung fatal. Die heute immer noch so viel vorhandene Kleingliedrigkeit wäre nicht mehr gegeben, ein herber Verlust für die Erholungslandschaft und für den Tourismus, immerhin noch ein prosperierender Wirtschaftszweig unserer Region. Daneben sind Veränderungen im Klein- und Lokalklima zu befürchten in Richtung auf mehr feuchte, neblige Tage, was sich langfristig wiederum negativ auf den Obstbau im Gebiet auswirken könnte, ebenfalls ein prosperierender Erwerbszweig in dieser Region. Da bei Flusstälern, die längere Zeit der Wildnis preisgegeben sind, wohl kaum mehr die Möglichkeit ins Auge gefasst werden dürfte, sie wieder „urbar" machen zu können, falls sich ein rentabler wirtschaftlicher Erwerbszweig evtl. im Rahmen der Gewinnung nachwachsender Rohstoffe mittelfristig erkennen ließe, muss nach Sicht des Autors weiterhin versucht werden, die Täler so lange als möglich offen zu halten. Ansätze mit der Verwirklichung von Talwiesenkonzepten, die sich auch schwerpunktmäßig mit einer wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Mähgutes auseinandersetzen, sind gemacht.

Neue Synergien sind notwendig!

Aus dem bisher Gesagten wird deutlich, dass sich der Naturschutz und Landschaftsschutz längst von einer rein konservativen, möglicherweise nur mit sich selbst beschäftigenden Disziplin zu einem vernetzt denkenden Service mit ganzheitlichem Denkansatz entwickelt hat, der andere gesellschaftlich relevante Aspekte mit in seine Überlegungen einbezieht. Er handelt damit ganz im Sinne einer Nachhaltigkeit, wie sie die Agenda 21 fordert. Die Entscheidungen können dabei vielleicht ganz anders aussehen, als die, welche nur unter dem einzigen Aspekt des reinen Naturschutzes gefällt würden.

Wie wir bisher gesehen haben, spielt sich der Naturschutz und Landschaftsschutz bei uns hauptsächlich in einer Kulturlandschaft ab, die zudem weitgehend bäuerlich geprägt ist. Für den Erhalt dieser Landschaft sind nach wie vor Menschen notwendig, die Erwerbsmöglichkeiten auf dem Land und vor allem im Bereich der Landwirtschaft haben. Gerade die bäuerliche Landwirtschaft war es, die diese kleingliedrige Kulturlandschaft im Laufe der letzten Jahrtausende geprägt, ja mit Hilfe der Natur geschaffen hat. Die Landwirtschaft befindet sich aber nicht erst seit heute in einer strukturellen Krise, die zunehmend Sorge bereiten muss. In Obertranken haben sich 2000/2001 gerade einmal 45 junge Leute dazu entschlossen, den Beruf des Landwirts zu erlernen. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, ist zu befürchten, dass die wenigen Landwirte die zukünftigen Aufgaben des Landschafts- und Naturschutzes nicht in ausreichendem und gewünschten Maße mehr bewältigen können.

Es muss also alles daran gesetzt werden, den Beruf des Landwirts, der den des Landpflegers beinhaltet, wieder attraktiv zu machen. Dazu gehört sicher auch, ihn mit neuen Inhalten auszustatten. Ein Königsweg ist sicher noch nicht gefunden. Der Natur- und Landschaftsschutz kann hier allerdings einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Durch Gründung von Landschaftspflegeverbänden, die im Gebiet sehr erfolgreich arbeiten, ist ein wichtiger Schritt getan.

Zudem zeigt die Konstellation dieser Verbände auf, wie wichtig es ist, dass verschiedendste Interessengruppen gemeinsam planen und ausführen. Landwirtschaft und Naturschutz sitzen hier mit der lokalen Politik an einem Tisch und haben begriffen, dass sie alle in einem Boot sitzen.

Zukunftsaufgaben:

Die Gegensätze der Vergangenheit, die nach wie vor aufflammen und noch immer nicht ganz überwunden sind, müssen verschwinden zu Gunsten einer gemeinsam gestalteten Kulturlandschaft unter folgenden Prämissen, die allerdings keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erheben:

• Es darf nicht soweit kommen, dass der Landwirt, bzw. der Beruf des Landwirtes auf die „Rote Liste der geschützten Arten" gesetzt werden muss.

• Initiativen, bestehende wirtschaftlich prosperierende Zweige der Landwirtschaft zu fördern, sollten auf alle Fälle unterstützt und ausgebaut werden. Als solches bietet sich der erfolgreich praktizierte Obst- insbesondere der Steinobstbau im Erzeugergebiet Fränkische Schweiz an. Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet sind im Bereich der längeren Haltbarkeit von Steinobst, der Sortenwahl zur Stärkung des Mostobstbereiches etc. denkbar. Im Bereich des Tourismus sind sicher auch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

• Bestrebungen zur Wiederbelebung landwirtschaftlich heute noch unrentabel erscheinender Wirtschaftszweige müssen mitgetragen werden. Dabei können Anstrengungen zur Schaffung regionaler Kreisläufe zur Wiedererstarkung führen.

• Vernetzte Zusammenschau der Anliegen der Region. Landwirtschaft, Naturschutz, Tourismus, Industrie, Handel... müssen gemeinsam die Entwicklung im ländlichen Raum gestalten. EU-Förder­programme wie das neue LEADER + legen hierauf außerordentlichen Wert. Der Naturschutz ist hier gefragt, seine Anliegen aber auch sein Know- How mit in die Waagschale zu werfen. Dabei darf der Naturschutz allerdings nicht von vorne herein die Anliegen einer Gesellschaft ablehnen, die sich zunehmend zur Freizeit und „Fun"- Gesellschaft entwickelt, auch wenn das auf den ersten Blick wider seine ureigensten Anliegen erscheint. Behutsame Einführung neuer, moderner Elemente, ob Windräder oder Solardächer, ob Mountainbikestrecken oder Klettergärten müssen und können ihren sinnvollen Platz in der Kulturlandschaft finden. Am besten im Konsens mit dem Naturschutz.

„Gute" Naturschützer gegen „böse" Naturnutzer hat es einmal in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts geheißen. Obwohl hin und wieder dieser alte Streit an Detailplänen aufflammt, setzt sich doch die Erkenntnis durch, dass wir alle nur die Natur nutzen. Wichtig ist, dass diese Nutzung auf Nachhaltigkeit basiert, wie es die Konferenz von Rio und die darauf aufbauende Agenda 21 formuliert. Auch nachfolgende Generationen sollen diese Natur so nutzen können, wie es ihren Vorstellungen entspricht.

Ernst Deutsch