Heft 16 - Der SS- Standort Waischenfeld
Der als Redakteur tätige Historiker und Autor versteht es in eingängiger Sprache unter Auswertung zahlreicher und entfernt liegender Archivalien, unter kritischer Verarbeitung der vorhandenen Literatur sowie durch Befragung von Zeitzeugen die längst vergangenen, jedoch nicht vergessenen Jahre dem Leser anschaulich zu vergegenwärtigen.
Wie kam es dazu, dass die abseits gelegene, durchwegs landwirtschaftlich geprägte Kleinstadt für einen SS-Standort, in den Jahren von 1933 bis 1937 als Hilfswerklager mit bis zu 400 österreichischen „SS-Männern”, später dann ab 1943 als Dienststelle mit 40 Mitarbeitern des aus Berlin-Dahlem ausquartierten „Ahnenerbes”, deren Leitung ein gewisser Wolfram Sievers inne hatte, ausersehen wurde? Wie wurden die Fremden und ihre Arbeit von den Einheimischen eingeschätzt? Wie gestalteten sich die Kontakte zur einheimischen Bevölkerung? Welche Beziehungen bestanden zum KZ-Außenlager in Pottenstein? Viele Fragen werden aufgeworfen und finden, falls überhaupt noch möglich, hier ihre Beantwortung.
Es war die Weltabgeschiedenheit der inneren Fränkischen Schweiz, die ihr vor allem in den letzten Kriegsjahren eine nicht voraussehbare Bedeutung (Ausweich- oder Arbeitsquartier verschiedenster Stellen, Kinderverschickungslager, Archive, Produktionsstätten von Firmen, Laboratorien u. a.) bescherte. Dazu zählte auch die Dienststelle des „Ahnenerbes”. Diese Forschungsgemeinschaft war 1935 als ein zunächst rein geisteswissenschaftlicher Verband unter der Regie des Reichsführers der SS, Heinrich Himm1er, ins Leben gerufen worden. Unter ihrer Obhut beschäftigten sich Forscher aus dem ganzen Deutschen Reich mit allen möglichen und unmöglichen Dingen, die auch nur im Entferntesten etwas mit völkisch-germanischen Themen zu tun hatten.
Auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung besaß der Verein rund 45 Lehr- und Forschungsanstalten. Von Waischenfeld aus organisierte der Dienststellenleiter, Reichsgeschäftsführer der Forschungsgemeinschaft „Ahnenerbe”, Wolfram Sievers den „Germanischen Wissenschaftseinsatz”, die Arbeit des „Instituts für wehrwissenschaftliche Zweckforschung”, die Inventarisierung „volksdeutschen” Kulturgutes in Südtirol und vieles mehr. Das Ende der Ahnenerbe-Dienststelle und somit einer gewissen überregionalen politischen Bedeutung Waischenfelds brachte der Einmarsch der Amerikaner am 14. April 1945 in das Wiesentstädtchen. Sein Leiter wurde nach zwei Wochen in einer Scheune der Umgebung aufgegriffen und im sog. Nürnberger Ärzte-Prozess zum Tode verurteilt. Die vorliegende Abhandlung ist sicherlich ein lesenswerter Beitrag zur heimatkundlichen Zeitgeschichte.